Wenn von Bewegung die Rede ist, stehen wir nicht selten vor einem Dilemma. Einerseits ist Choreographie als Form immer schon in die Codes und Semantiken spezifischer Kontexte sowie Macht- und Wissensgefüge eingebettet, verweist also auf sprachliche Register und Wiedererkennungsmuster, obwohl Tanz als Tätigkeit seinerseits nicht sprachlich verfasst und stets in seiner Singularität zu denken ist. Andererseits sind es oft gerade jene Aspekte am Tanz, die sich nur unter schweren qualitativen Verlusten in begrifflichen Schemata fassen lassen, welche gerade seine ästhetische Erfahrung ausmachen. Die 1990er Jahre waren, so lässt sich retrospektiv feststellen, nicht nur durch eine teilweise Suspension bewegter Körper auf den zeitgenössischen Bühnen gekennzeichnet, sondern ebenfalls eng mit einer um fast ein Jahrhundert verspäteten Rezeption des linguistic turn in diesem Feld verbunden, der sich später in einen performative turn verwandelte und auch verschiedene choreographische Praktiken nicht unberührt ließ. In letzter Zeit allerdings ist in vielen Fällen eine Rückwendung zum Problem der Bewegung konstatierbar, jedoch – das sei in meinem Beitrag herausgestellt – unter anderen Vorzeichen.