Philipp Theisohn: Die missratenen Söhne des Kastellans
Die missratenen Söhne des Kastellans
(p. 99 – 118)

Franz Kafka: Das Schloß oder der Roman des XII. Kongresses

Philipp Theisohn

Die missratenen Söhne des Kastellans
Franz Kafka: Das Schloß oder der Roman des XII. Kongresses

PDF, 20 pages

Die Untersuchung von Philipp Theisohn basiert auf einer vergleichbaren Synopse, insofern hier die Frage der Regulierung biologischer Reproduktionsverhältnisse durch Schriftverfahren nicht im Bezug auf ein einzelnes Dokument, sondern im weiteren Horizont eines – als komplexes Korpus von Dokumenten überlieferten – zeithistorischen Diskurses behandelt wird: des zionistischen Kolonisationsdiskurses und seiner Familienpolitik, dessen Dokumente sich mit verblüffender Auflösungsschärfe als maßgeblicher Echotext zu Kafkas Schloß-Roman erweisen.

  • Franz Kafka
  • histoire du discours
  • Nietzsche

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Friedrich Balke (éd.), Joseph Vogl (éd.), ...: Für Alle und Keinen

Es gibt kaum zwei andere Autoren der deutschsprachigen Moderne, bei denen das Verhältnis von Sprache und Leben so intensiv verhandelt wird wie bei Friedrich Nietzsche und Franz Kafka. Für Nietzsche, den »gefährlichen Denker« und das »Dynamit« der christlich-abendländischen Werteordnung, wie für Kafka, den »Dichter der Angst« und Experten für Arbeiter-Unfallversicherung, bilden die biopolitischen Dispositive des heraufkommenden Wohlfahrtsstaates und die Verschiebungen, die der Historismus für die Ökonomie des Wissens und die Massenpresse für die Ökonomie der Rede bedeuten, eng aufeinander bezogene Faktoren des Problemgefüges, das ihre Schreibprojekte hervortreibt. Für beide stellt der Doppelcharakter sprachlicher Überlieferung – als Sicherung des kollektiven Lebens und als Unterwerfung des individuellen – eine zentrale schriftstellerische Herausforderung dar, und beide begreifen die daraus resultierende Riskanz einer radikalen Umschrift der durch Lektüre angeeigneten Tradition als ethisches Problem.

Der Band zielt darauf ab, die beiden Antworten auf jene Herausforderung vor ihrem jeweiligen biographischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund gegeneinander zu kontrastieren und sie zugleich als – bis heute gültige – paradigmatische »Haltungen« im diskursiven Feld der Moderne sichtbar werden zu lassen. Indem der Band den »dialogischen« Bezug Kafkas auf Nietzsche auf der Folie diskursiver und medialer Ereignisse und Konstellationen der Zeit motiviert und spezifiziert, lässt er ihn zugleich als vielstimmigen »Polylog« oder sogar unlesbaren »Babellog« quer durch die Kultur und die Wissensfelder des anbrechenden »kurzen 20. Jahrhunderts« (1914–1989) erscheinen.