Der vorliegende Beitrag stellt die vielfach postulierte kybernetische Nivellierung ontologischer Differenzen im 20. Jahrhundert in Frage, indem er zwei historisch distinkte Konstellationen von Mensch, Tier und Computer miteinander verknüpft und diskutiert. Am Beispiel der Delphin-Kommunikationsexperimente des Biophysikers John C. Lilly aus den 1960er Jahren und der Schwarmintelligenzforschung in der Informatik um 1990 wird vielmehr argumentiert, dass Tiere hier unter dem Primat eines radikalen Entzugs von Natürlichkeit neuartige epistemische Prozesse initiieren: Sie erscheinen nicht mehr als »das Andere« oder »das Gleiche« von Mensch und Maschine, sondern als operationale Systemtiere in medientechnisch determinierten Settings. Diese Transformation von tierischen Akteuren zu »rechnenden Tieren« ist mit einem konzeptuellen Umbruch in den Computerwissenschaften korelliert, nach dem »Intelligenz« nicht mehr als Implementation von repräsentationalem »Expertenwissen«, sondern als »relationales Handelns« gedacht wird.
Gesellschaft für Medienwissenschaft (éd.)
Zeitschrift für Medienwissenschaft 4
Menschen & Andere
PDF, 212 pages
Machen Medien Menschen und andere? So ließe sich die Kernfrage eines Mediendenkens fassen, das auf den formierenden Charakter medientechnischer Apparaturen abhebt. In Donna Haraways »Cyborg Manifesto« von 1985 kam diese Frage zu ihrem Bild: Cyborgs tauchen, so Haraway, immer dann auf, wenn die Grenze zwischen Maschine und Mensch oder Tier und Mensch porös zu werden droht. Seitdem
haben sich sowohl auf dem Gebiet der Technik als auch auf dem der Theorie die Grenzen weiter verschoben: Nicht-menschliche Wesen wurden von den Science Studies als Akteure (wieder)entdeckt, Computerprogramme werden nach lebendigen Prozessen modelliert, und VertreterInnen der Animals Studies fordern Menschenrechte für Tiere. Der Antihumanismus des 20. Jahrhunderts war von einem kritischen Impetus
gegenüber der Machtblindheit des abendländischen Humanismus geprägt und befragte Differenzsetzungen (Natur/Kultur, Frau/Mann, Tier/Mensch) hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Ein- und Ausschlusseffekte. Aktuelle anti-speziezistische Philosophien hingegen analysieren nicht länger die (mediale) Produktion von Differenzen, sondern feiern die Grenzüberschreitung hin zum Tier und zur Maschine als neue ontologische Stufe. Der Schwerpunktteil der Zeitschrift für Medienwissenschaft 4 setzt sich mit möglichen Konsequenzen dieser Negation von Differenz für die Konzeption des Menschen als Spezies unter anderen und als homo faber, der mit (Medien)Techniken operiert und manipuliert, auseinander.