»Glossar [lat.] das, -s/-e, 1) selbstständig oder als Anhang eines bestimmten Textes erscheinendes Wörterverzeichnis mit Erläuterungen.«1 Im ↑ Bologna-Prozess tauchen zahlreiche Begriffe auf, die in unterschiedlichen Glossaren häufig online und meist bereitgestellt von verschiedenen Akteuren des Prozesses erläutert werden (↑ Bestiarium). Das wohl umfangreichste Glossar wurde von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in der Reihe Beiträge zur Hochschulpolitik herausgegeben und liegt in drei Sprachen vor: Englisch, Russisch und Deutsch. Dieses ist gemeint, wenn im Folgenden von Glossar gesprochen wird; gleichzeitig steht es als pars pro toto für die meisten anderen verfügbaren Glossare, die ähnliche Begriffe abdecken und sprachlich ähnlich funktionieren.
Wer das Glossary on the Bologna process2 durchblättert, stellt schnell fest, dass es die Universität nicht explizit infrage stellt. Es handelt von Verfahren zur Umsetzung politischer Ziele, vor allem der Etablierung eines europäischen Hochschulraums (↑ Globalisierung), die das Wesen der Universität nicht zu betreffen scheinen. Die zu erklärenden Begriffe, die termini technici, die in ihm auftauchen, beschreiben meist Prozesse der Handhabung und Umsetzung bestimmter Vorgaben, die sich seit den 80er Jahren entwickelt haben und in der Bologna-Erklärung zum ersten Mal programmatisch und an zentraler Stelle formuliert wurden. Es sind im buchstäblichen Sinne Glossen, die in einem Text auftauchen, der aus den Papieren der Bologna-Reform selbst besteht.
Wie bei vergleichbaren Glossaren zu Theorien oder künstlerischen Strömungen erläutert das Bologna-Glossar nicht die Begrifflichkeiten eines Textes, sondern eines Textkorpus. Im Fall des Bologna-Prozesses sind das die Papiere, die der Bologna-Erklärung vorausgehen (Sorbonne-Erklärung und Magna Charta Universitatum) und die, die in ihrem Anschluss formuliert wurden (das Berlin-Kommuniqué, das Bergen-Kommuniqué etc.). Die Bologna-Erklärung, die in ihrer deutschen Übersetzung den schlichten Titel Der Europäische Hochschulraum trägt, ist zentral und verweist in der Formulierung ihrer Ziele vor allem auf die Sorbonne-Erklärung, wobei konkret Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Hochschulraumes, ↑ Employability und Mobilität genannt werden. Die Schaffung des Europäischen Hochschulraums selbst beziehungsweise eines Europas des Wissens kann als eigene Zielsetzung verstanden werden. Im Anschluss daran werden sechs konkrete Mittel genannt, mit denen der europäische Prozess vorangetrieben werden soll. Sie sind Thema der Folgepapiere, stellen die Hälfte der zwölf Aktionslinien des Bologna-Prozesses dar und gliedern auch die Begrifflichkeiten des Glossars.
In der Einleitung wird zum einen der Anspruch formuliert, die wichtigsten Begriffe der Reform zu klären, um ein Kommunikationsinstrument bereitzustellen, und zum anderen über die »politischen Ziele« des Prozesses, seine Aktionslinien und die »damit verbundenen Begrifflichkeiten« zu informieren: »Die Reformprozesse in den beteiligten Ländern bringen eine Fülle von Detailinformationen mit sich, die bisweilen die grundlegenden Zielsetzungen des Bologna-Prozesses in den Hintergrund treten lassen. Das vorliegende Glossar enthält deshalb Begriffe, die die wesentlichen Aspekte des Bologna-Prozesses abdecken, ohne jedoch einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.«3
In Anbetracht der über fünfzig verzeichneten Begriffe stellen sich die Fragen: Was sind die grundsätzlichen politischen Zielsetzungen des Bologna-Prozesses? Wie unterscheiden sie sich von den vordergründigen Details? Und schließlich: Wovon spricht das Vokabular des Glossars? Welche Strategie verfolgt es und was verschweigt es?
So lässt sich zunächst feststellen, dass das Glossar die Hierarchie der Begriffe hinsichtlich ihrer Bedeutung und ihres Klärungsbedarfs verkehrt: Die undeutlichsten aber zentralsten, die Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung eines Europas des Wissens, die zugleich die größte politische Bedeutung haben, tauchen im Glossar gar nicht auf. Dabei wären vor allem folgende Fragen relevant: Um was für einen Wettbewerb geht es? Ist er mit der Universität vereinbar? Und um was für ein Wissen handelt es sich in einem Europa des Wissens? Der recht deutlichen Forderung nach Employability wird in der englischen Erklärung seine strittige arbeitsmarktbezogene Schärfe genommen4 (↑ Arbeitsmarkt) und im deutschen Eintrag wird vor allem auf Kontroversen in seiner Umsetzung5 verwiesen. Nur die banale Forderung nach Mobilität, die ebenso als Voraussetzung oder Mittel für die Schaffung des EHR (Europäischer Hochschulraum) verstanden werden kann, wird als ein Hauptziel des Bologna-Prozesses deklariert.
Die Einleitung formuliert also eine bemerkenswert widersprüchliche Kausalität: Details lassen die politischen Ziele in den Hintergrund treten, deshalb soll die Klärung der »wesentlichen Begriffe« – und das sind über fünfzig detaillierte Begriffe – sie in den Vordergrund treten lassen. Die Aufklärung über Verfahren und deren Implementierung im Glossar erscheinen als probates Mittel, um über die politischen Ziele des Bologna-Prozesses zu informieren, die tatsächlich aber nicht erkennbar werden. Mit der Verwechselung politischer Ziele mit den Mitteln ihrer Umsetzung kann das Glossar als Teil der Strategie verstanden werden, die den Bologna-Prozess mangels eines sichtbaren ideologischen Fundaments so ungreifbar erscheinen lässt. Jens Maeße, der zu ähnlichen Schlüssen kommt, folgert aus der ermittelten mangelnden Bedeutung der Begriffe, dass die Akteure des Prozesses diese erst mit der Umsetzung schaffen.6 Das Glossar wird damit zur Metonymie und Metapher der Sprache des Prozesses, der seine grundsätzlichen Ziele nicht nennt und sich stattdessen auf die Umsetzung von Verfahren konzentriert.
Da Verfahren der Organisation der Universität das Gerüst ihrer Begrifflichkeit bilden, wird ihr Kern scheinbar unangetastet gelassen, möglicherweise aber umso effektiver substituiert. Im Employability-Eintrag des Glossars wird einer möglichen Kritik am Einfluss des Arbeitsmarktes auf das Studium aus dem Weg gegangen, indem schlicht die Priorität des Fachstudiums hervorgehoben wird. Bemerkenswert ist die Argumentation zum Begriff Bachelor, der vor allem berufsqualifizierend sein, also der Employability der Student_innen dienen soll: Employability als Ziel wird darin nur insofern zur Kontroverse, als die Frage besteht, ob der derzeitige Abschluss von potenziellen Arbeitgebern tatsächlich anerkannt wird. So wird der neue Abschluss vor allem auf seine Zielsetzung, die Employability, hin befragt und diese im Voraus jeglicher Kritik entzogen, die fragen könnte, ob ein tatsächliches Studium bei allen Forderungen nach Berufsqualifikation noch stattfinden kann (mit dem Hinweis auf den Vorrang des Fachstudiums vor Employability im entsprechenden Eintrag).
Eine ähnliche Argumentation findet sich in Die entfesselte Hochschule von Detlef Müller-Böling.7 Das Buch ist in Kapitel gegliedert, die die Hochschule dem Buchtitel folgend mit unterschiedlichen Epitheta verbinden: »Die autonome Hochschule«, »Die wirtschaftliche Hochschule« etc. Im Kapitel »Die wissenschaftliche Hochschule« wird der Kern der Hochschule, die Wissenschaft, zunächst mit einer einfachen Feststellung Jürgen Rüttgers’ eingeführt und einem »Nekrolog« überantwortet: »Humboldts Universität ist tot«.8 Programmatisch folgt auf den Nekrolog der Humboldt’schen Universität die Perspektive ihrer Auferstehung, die mit einem Zitat des Erfinders eingeleitet wird: »Qualität ist wie die Wissenschaft selbst ›als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes zu betrachten und unablässig als solche zu suchen‹ (Humboldt)«.9 Die Rhetorik ist bemerkenswert: Humboldt zitierend stellt Müller-Böling einen Zusammenhang zwischen Qualität und Wissenschaft her, um dann in einer verblüffenden Argumentation sogleich zur ↑ Qualitätssicherung überzuleiten, die als Begriff auch im Glossar definiert wird. »Qualität ist ein nicht abzuschließender Prozess – und daher erfordert sie bestimmte Maßnahmen, Regeln und Verfahren, die sie hervorbringen und mit denen sie gesichert werden kann«.10 Zusammengefasst hieße das: Die Wissenschaft der Universitäten krankt, weshalb man deren Qualität wieder herstellen muss. Und gerade, weil das ein offener Prozess ist, dessen Ende also nicht feststeht, müssen die Ergebnisse mittels Qualitätssicherung gewährleistet werden (↑ Evaluation). Nicht nur im Glossar, sondern auch in einem der wichtigsten Texte der Bologna-Reform in Deutschland wird also an dem Punkt, an dem es um den Kern der Universität gehen soll, stattdessen auf die Vorzüge der Umsetzung eines bestimmten Programmes verwiesen.
Das Ausweichen auf Fragen der Verwaltung beziehungsweise Organisation der Universität an einer Stelle, an der es um ihren wissenschaftlichen Kern geht, ist eigentlich nichts Erstaunliches: Folgt man Dirk Baeckers Argumentation in »Forschung, Lehre und Verwaltung«, so ist gerade das der Universität wesentlich. Sie ist immer dort, wo man sie nicht vermutet und fragt man nach einem Element der Titeltrias von Baeckers Text, nimmt die Universität Anleihen beim nächsten, um sich zu legitimieren (↑ Universität, unsichtbare).11
Sucht man die Universität, wird man statt ihrer Forscher finden, die wiederum auf die Lehre verweisen, wenn man fragt, was sie tun. Und die Lehre wiederum wird Anleihen bei der Verwaltung nehmen, etwa Prüfungsämtern (↑ Klausuren), die Zeugnisse ausstellen, wenn sie auf das hin befragt werden, was sie tun. Und genau davon lebt sie. Denn: »Die Universität ist nie da, wo man sie gerade vermutet, kommt aber jederzeit genau dorthin zurück, sobald niemand mehr versucht, sie dort festzuhalten.«12 Nimmt man dieses buchstäbliche Paradoxon der Universität, die neben sich steht, ernst, könne sie sich darin produktiv entfalten. Selbstverwaltung kann laut Baecker also nur gelingen, wenn keines der drei Elemente ausgeschlossen wird und sich alle drei stattdessen gegenseitig als »Joker« ausspielen können, »wenn das Spiel unvermittelt ins Stocken gerät.«13
Bei Müller-Böling sowie im Glossar wird beim Sprechen über Wissenschaft weniger auf Verwaltung verwiesen, als die Wissenschaft vielmehr durch Verwaltung ersetzt (↑ Schalter): Zunächst führt Müller-Böling den Vergleich zwischen Wissenschaft und Qualität ein, um dann nur noch über die Organisation der Qualitätssicherung zu sprechen. Es ist nicht verwunderlich, dass der deutsche Eintrag zur Qualitätssicherung im Glossar Begriffe wie Wissenschaft oder Bildung, die die Sache der Universität bezeichnen, ihr Wesen, geschickt umfährt. Im englischen Eintrag taucht education nur im Idiom Higher Education Area auf und einzig die russische Bologna-Hochschule spricht über Bildung (образование) als dem Gegenstand, dessen Qualität gesichert werden soll. Vielleicht mag es an den regionalen Unterschieden liegen, die für eine abweichende Umsetzung des Prozesses sorgen: Russland ist möglicherweise noch nicht so weit.
Humboldts Universität scheint also weniger tot als totgesagt zu sein. Folgt man Baecker, müsste man gerade in einer Debatte, die sich in Details der Verwaltung verliert, den Joker der Forschung und der Lehre ziehen, um das Spiel ohne Stocken fortzuführen. Dann würde die Universität in ihrem Kern auch nicht mehr außer Frage, sondern infrage stehen.
Sowohl im Informationsmaterial der HRK als auch im Glossar wird immer wieder betont, dass das Wohl der Student_in als Studiennachfrager_in im Mittelpunkt stehe und ernst genommen werde. Beispiele werden vorgestellt, in denen Student_innen Probleme in Lehre und Studium benennen sollen und in deren Lösung integriert werden oder sogar an Akkreditierungsprozessen und am Rektorat der Universität teilhaben (↑ Machen).14 Auch im Glossar wird bereitwillig auf Probleme der Umsetzung und das Recht der Student_innen auf einen reibungslosen Studienverlauf hingewiesen. Das ist gut und wünschenswert. Dennoch hat die Reaktion der HRK (und auch der breiten Politik) auf die vielfältigen Proteste um das Jahr 2009 in der Offenheit, mit der sie den Student_innen Gehör schenkten, etwas Irritierendes: Auf der Web-Seite der HRK findet man zum Protest die Bemerkung, man habe versucht, die Forderungen der Student_innen nach geringerer Arbeitsbelastung umzusetzen.15 Das Abstruse an dem großen Verständnis, mit dem die Politik den Forderungen des Protestes begegnete, liegt in der Natur der Sprache, die in den Bologna-Texten und dem daraus destillierten Glossar benutzt wird. Denn die Reaktion der HRK, die auf der Webseite kommuniziert wird, übersetzt die Klage nach Überlastung mit der Selbstsicherheit eines Online-translators in die austauschbaren Begriffe »workload, Arbeitsbelastung, трудоемкость«, die im Glossar unter der 3. Aktionslinie »Establishment of a system of credits«16 (↑ Leistungspunkte/ECTS) klar definiert werden. Ist der Protest erst einmal in die Sprache des Bologna-Prozesses übersetzt, werden die Forderungen für die Akteure aus HRK und Politik nicht nur verständlich, sondern auch von ihnen berücksichtigt.
Um aus der Perspektive der Bologna-Reform adäquat auf die Proteste zu antworten beziehungsweise ihnen gerecht zu werden, braucht man nur das Glossar aufzuschlagen und den Artikel über Arbeitsbelastung/workload zu lesen: Der workload ist in ECTS-Punkte codiert und gibt die Zeit an, die nötig ist, um die Lernergebnisse eines Studienprogrammes zu erreichen. Die Klage über Überforderung wird also als Klage über den zu hohen workload verstanden, der in Reaktion auf die Proteste mittels einer Korrektur der Quantität der Lernergebnisse in Bezug zu ECTS-Punkten reduziert werden kann.
Wie Fragen der Wissenschaftlichkeit auf Fragen der Organisation gelenkt werden, werden Forderungen unterschiedlichster Art auf ein technisches Problem gebracht, das durch die quantitative Anpassung des workloads auf Verwaltungsebene gelöst werden kann (↑ Koordinator/in gescheitert). Die Reduktion des workloads hat freilich wenig zu tun mit Forderungen nach »Debatten zu einem emanzipatorischen Bildungsbegriff«17, nach »freie[r] und verantwortungsbewusste[r] Bildung zu mündigen Menschen«18, nach »selbstständige[r] Reflexion und Kritik«19 oder nach der Möglichkeit für »politisches und kulturelles studentisches Engagement«,20 um nur einige Punkte der Forderungspapiere von 2009 zu zitieren (↑ Bildung, kritische).
Welche Begriffe sind es also, die im Glossar nicht vorkommen, die für eine Befragung der Universität aber entscheidend wären? Es sind traditionelle Begriffe wie Wissen, Bildung, Denken, Lesen (↑ Lektürekurs), Schreiben, ↑ Vorlesung und Universität selbst. Alles Begriffe, deren Infragestellung an die Tradition der europäischen Hochschule anschließen würde, wie es in den Bologna-Papieren zurecht von einer Institution gefordert wird, die konstitutiv für die moderne Gesellschaft ist und ihren kulturellen Fortschritt maßgeblich begleitet hat. Und zudem Begriffe, die Humboldt in seinem vielzitierten Text anführt, der ebenso wie die Bologna-Papiere von der Verwaltung handelt: Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin.21 Die Berührung mit der Tradition der Universität wäre gleich zweifach: Zum einen nähme man mit den Begriffen die Tradition selbst auf und zum anderen, was noch wichtiger ist, nähme man mit deren Infragestellung eine der wichtigsten Traditionen einer Institution auf, die zu einem wesentlichen Teil vom Infragestellen ihrer Ergebnisse und sich selbst lebt. Stattdessen werden Begriffe wie Bildung, Wissen und Lesen ausgeklammert und damit entscheidende Aspekte der Universität ignoriert. Und dies umso effektiver, indem ihre Sprache in eine neue, bürokratische übersetzt wird, die nur noch wenig mit ihr zu tun hat.
Genau diese Strategie ordnet Roland Barthes den Ideosphären zu, die er »starke sprachliche Systeme« nennt, »die es erlauben, einem Einwand oder Vorbehalt dadurch zu begegnen, daß er in den Begriffen des Systems codiert wird: […]«.22 Barthes vergleicht sie mit einem Kaugummi, das überall kleben bleibt, obwohl man es weggeworfen hat; das nirgendwo den Ansatzpunkt für einen Hebel bietet, über den man es loswerden könnte.23 Die einzigen Oberflächen, an denen Kaugummis keine Chance haben, kleben zu bleiben, sind verstaubte.
1 »Glossar«, in: Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 8, Mannheim 198919, S. 603.
2 Trotz der Dreisprachigkeit tauchen einige Gliederungselemente wie der Titel nur in englischer Sprache auf.
3 Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Glossary on the Bologna Process, Bonn 2006, S. 12.
4 HRK: Glossar, a.a.O., S. 95.
5 »Das Konzept der ›Employability‹ wird in Deutschland kontrovers diskutiert, insbesondere für den Bachelor-Abschluss. Es wird befürchtet, dass die Bachelor-Absolventen durch ihr im Vergleich zum Master geringeres Qualifikationsniveau Probleme auf dem Arbeitsmarkt bekommen könnten.« HRK, Glossar, a.a.O., S. 96.
6 Jens Maeße: »Spiel über Bande: Bologna, Politikschauspieler und die Rolle der Technokratie«, http://www.transforma-online.de/deutsch/transforma2009/papers/maesse.html (aufgerufen am: 29. 4. 2012).
7 Die entfesselte Hochschule soll hier als Teil des Bologna-Textkorpus verstanden werden. Der Autor ist Leiter des CHE und damit einer der wichtigsten Akteure in der deutschen Bologna-Lobby. Viele Begrifflichkeiten, die in seinem Buch auftauchen, finden sich auch im Glossar. Siehe: Detlef Müller-Böling: Die entfesselte Hochschule, Gütersloh 2000.
8 Müller-Böling: Die entfesselte Hochschule, a.a.O., S. 82.
9 Ebd., S. 86.
10 Ebd. ff.
11 Dieses Schema ist freilich etwas verkürzt: »Das ist in dieser knappen Beschreibung natürlich eine Karikatur, die jedoch nicht sehr weit hergeholt ist. Forschung, Lehre und Verwaltung setzen, negieren und implizieren sich im Kontext der Universität laufend selber.« Baecker, Dirk: »Forschung, Lehre und Verwaltung«, in: Unbedingte Universitäten (Hg.): Was passiert? Stellungnahmen zur Lage der Universität, S. 311–332, hier S. 323.
12 Ebd. S. 323.
13 Ebd. S. 327.
14 Hochschulrektorenkonferenz (Hg.): Gute Lehre. Frischer Wind an den Hochschulen, Bonn 2011, S. 36–51.
15 http://www.hrk.de/bologna/de/home/4141.php (aufgerufen: 13. 5. 2012)
16 Ebenso wie der Titel liegen die Gliederungselemente des systematischen Inhaltsverzeichnisses des Glossars, das zugleich die Strukturierung des Prozesses in Aktionslinien wiedergibt, nur in englischer Sprache vor.
17 Erweiterter Forderungskatalog der Lehrenden- und Forschendenversammlung der Wiener Universitäten (2. November 2009), in: Was passiert?, a.a.O., S. 31–35, hier S. 31.
18 Forderungen des Plenums der Besetzer_innen des Audimax an der Uni Hamburg (12.11.2009), in: ebd., S. 141–143, hier 142.
19 Resolution der studentischen Vollversammlung der Uni Frankfurt (30.11.2009), in: ebd., S. 215.
20 Ebd.
21 Wilhelm von Humboldt: »Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin«, in: Unbedingte Universitäten (Hg.): Was ist Universität? Texte und Positionen zu einer Idee, Zürich 2010, S. 95–103.
22 Roland Barthes: Das Neutrum. Vorlesung am Collège de France 1977–1978, hg. v. Eric Marty, übers. v. Horst Brühmann, Frankfurt/Main 2005, S. 156.
23 Ebd., S. 157.
»ECTS-Punkte«, »employability«, »Vorlesung« – diese und viele weitere Begriffe sind durch die Bologna-Reformen in Umlauf geraten oder neu bestimmt worden und haben dabei für Unruhe gesorgt. Die Universität ist dadurch nicht abgeschafft, aber dem Sprechen in ihr werden immer engere Grenzen gesetzt. Anfangs fremd und beunruhigend, fügen sich die Begrifflichkeiten inzwischen nicht nur in den alltäglichen Verwaltungsjargon, sondern auch in den universitären Diskurs überhaupt unproblematisch ein.
Das Bologna-Bestiarium versteht sich als ein sprechpolitischer Einschnitt, durch den diese Begriffe in die Krise gebracht und damit in ihrer Radikalität sichtbar gemacht werden sollen. In der Auseinandersetzung mit den scheinbar gezähmten Wortbestien setzen Student_innen, Dozent_innen, Professor_innen und Künstler_innen deren Wildheit wieder frei. Die Definitionsmacht wird an die Sprecher_innen in der Universität zurückgegeben und Wissenschaft als widerständig begriffen.